Chadly Marouane ist seit Juni 2013 Software Engineer bei der Virality und hat dabei sowohl an zahlreichen Softwareprojekten als auch an Forschungsprojekten mitgewirkt. Nebenbei hat er an der LMU München promoviert und konnte so ein weiteres fachliches Interesse verfolgen.

Chadly, kannst du kurz erzählen, was du in deiner täglichen Arbeit so machst?

Ich mache klassische Software-Entwicklung mit dem Fokus auf mobile Anwendungen, speziell aus dem Bereich der Mobilen und Verteilten Systeme. Dabei konzeptionieren und entwickeln wir gemeinsam im Team Lösungen für größere und auch kleinere Unternehmen. Dies können umfangreiche Smartphone-Anwendungen, nutzerfreundliche Web-Anwendungen oder auch komplexe Verwaltungs- und Nutzersysteme sein. Neben der klassischen Software-Entwicklung für Kunden arbeiten wir auch an eigenen Ideen und Produkten, wie beispielsweise DieSchulApp oder auch die Keypocket-App. DieSchulApp entstand aus der Zusammenarbeit und Kooperation mit der LMU München und einer Realschule in Bayern. Diese vereinfacht die herkömmlichen Kommunikationswege innerhalb der gesamten Schulfamilie erheblich. Die Keypocket-App haben wir mit Hilfe eines geförderten Forschungsprojektes entwickeln können. Dabei haben wir eine App entwickelt, die ein sicheres Verwalten und Benutzen von Zugangsdaten ermöglicht. In allen unseren Lösungen integrieren wir unser Know-How aus den Bereichen Sicherheit, Nutzerfreundlichkeit und moderne sowie zuverlässige Technologien. Insgesamt versuche ich täglich die Software-Welt ein wenig besser zu machen 😉

Darüber hinaus hast du auch noch promoviert und letztes Jahr deine Arbeit abgeschlossen. Was war das Thema deiner Promotion?

Genau, ich habe Anfang Juli meine Promotion abgeschlossen. Das Thema der Arbeit lautet „Visuelle Verfahren für ortsbezogene Dienste“. Dabei geht es darum, Menschen mithilfe einer herkömmlichen Kamera (Smartphone, Bodycam oder Wearable) in alltäglichen Situationen zu unterstützen. Visuelle Verfahren können eingesetzt werden, wenn herkömmliche Systeme, wie z. B. Ortungssysteme innerhalb von Gebäuden, an ihre Grenzen stoßen. GPS-Systeme oder andere Ortungssysteme benötigen dafür meist eine aufwändige technische Infrastruktur. Im Rahmen der Dissertation wurden speziell die Position, die Aktivität und der augenblickliche Kontext bestimmt und rekonstruiert. Die Verfahren verwenden hierfür die Videoaufzeichnungen der Kamera und werten diese in Echtzeit aus. Dadurch ist es möglich, einem Nutzer beispielsweise bei der Navigation innerhalb großer Gebäude oder bei der Bereitstellung von weiteren Informationen zu helfen – ohne jegliche Infrastruktur nur mithilfe einer einfachen Kamera.

Du hast kürzlich auf der Open Munich einen Vortrag zu einem ähnlichen Thema gehalten. Der Titel war „Methoden zur Lokalisierung, Aktivitäts- und Kontexterkennung basierend auf dem Framework OpenCV.“ Worum geht es dabei?

In dem Vortrag habe ich einige visuelle Verfahren und Systeme vorgestellt, die ich im Laufe meiner Promotion entwickelt habe. Zentraler Bestandteil des Vortrags war das Computer Vision Framework OpenCV, da die meisten meiner Verfahren auf Basis dieses Frameworks entwickelt wurden. Dabei bin ich speziell auf die Verfahren der Lokalisierung und Aktivitätserkennung eingegangen, z. B. auf das visuelle Indoor-Positionierungssystem MoVIPS, das mit Hilfe einer Smartphone-Kamera die eigene relative Position bestimmt. Ein weiterer Bestandteil dieses Systems ist der visuelle Schrittzähler und Kompass, der auf Basis von Live-Bildern, die aus der Ego-Perspektive aufgezeichnet werden, vollständige Pfade bzw. Wegstrecken rekonstruieren kann. Interessant ist dabei, dass man mithilfe dieser Live-Bilder aus der Ego-Perspektive auch Aktivitäten wie das Laufen, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder auch Links- und Rechtsdrehungen sehr gut identifizieren kann. Einfache und kurze Trainingsdaten reichen bereits aus, um geeignete Klassifizierer mit Verfahren des maschinellen Lernens zu erzeugen. Insgesamt wollte ich mit dem Vortrag zeigen, dass man visuelle Verfahren heutzutage relativ einfach und sinnvoll einsetzen kann.

Wie können visuelle Verfahren in der Praxis eingesetzt werden?

Visuelle Verfahren können unseren Alltag allgemein vereinfachen und zum Teil eine Vielzahl von täglichen Abläufen und Prozessen automatisieren. Somit sind sie in vielen Bereichen einsetzbar. Eine visuelle Gestenerkennung lässt sich zum Beispiel zur Steuerung von schwer zu bedienenden Systemen oder Geräten verwenden. Im Bereich der Augmented Reality sind visuelle Verfahren zur Bestimmung der Kamera und zur realistischen Darstellung von virtuellen Objekten im realen Raum unabdingbar. Visuelle Verfahren spielen aber auch in der Robotik sowie beim autonomen Fahren eine entscheidende Rolle für den Erfolg und die Sicherheit der Systeme. Sie sind für das Erkennen und rechtzeitige Ausweichen von Hindernissen erforderlich. Dies wird durch mehrere Kameras und visuelle Sensoren gewährleistet, um die Umgebung vollständig zu erfassen und richtig einzuschätzen. In naher Zukunft werden wir immer mehr Systeme sehen, die ohne den Einsatz visueller Verfahren nicht mehr funktionieren.

Warum sind visuelle Verfahren inzwischen so wichtig?

Uns begleiten immer mehr visuelle Sensoren in unserem Alltag. Allein das Smartphone besitzt bereits mehr als zwei Kameras, die wir im Alltag häufig zum Fotografieren und Filmen einsetzen. An unserem Laptop oder Arbeitsplatz nutzen wir ebenfalls die Kamera, um damit Video-Konferenzen abzuhalten. Durch die rasante technische Entwicklung ist der Einsatz von visuellen Sensoren oder auch Kameras unausweichlich geworden. Besonders die Tatsache, dass die Stückkosten für solche Sensoren immens gesunken sind und damit immer häufiger verbaut werden, macht sie so vielfältig einsetzbar. Zudem ist die Größe dieser visuellen Sensoren um ein Vielfaches geschrumpft, so, dass deren Umfang mittlerweile kleiner als eine 1 Cent Münze ist. Trotz dieser Vielzahl an Kameras und visueller Sensoren gibt es bisher noch viel zu wenig eingesetzte Verfahren, die diesen Umstand sinnvoll ausnutzen. Dabei gibt es immer mehr Anwendungsfälle bei denen der Einsatz visueller Verfahren sehr sinnvoll und praktikabel wäre.

Danke für das nette Gespräch.

 

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